Von Geistern und Diktatoren

Wenn man jemanden in Hsinchu fragt, was man so machen kann, kommt meistens: den Bus nach Taipei nehmen. Wir wollen das aber nicht glauben und beschließen zum Strand zu fahren. Was aber auch allgemein bekannt in Hsinchu ist, dass die Busse selten und unzuverlässig fahren. Deswegen bleiben wir etwas unfreiwillig noch im Stadtzentrum von Hsinchu stecken. Genauer gesagt ein wenig davor weil der Busfahrer alle irgendwo rausschmeisst. Eine Erklärung gibt’s nur auf Chinesisch. Also beschließen wir einfach zu Fuß zu unserer Umsteigestation zu spazieren, genug Zeit haben wir ja. Uns kommen allerdings ziemlich bald viele Menschen in den komplett gleichen Shirts und gleichen Handtüchern um den Hals entgegen. Nach einem kurzen Gespräch mit ein paar von ihnen stellt sich raus, dass es kein Saunafestival ist sondern ein Tempelkulturfestival ist. Nach ein bisschen googeln finden wir auch heraus, dass das einer der größten Tempelfestivals in Taiwan ist, nämlich für den Stadtgott von Hsinchu. Es ist momentan laut Mondkalender Geistmonat und der Stadtgott von Hsinchu kümmert sich am 15. des 7. Monats (Mondkalender) um die verwaisten Geister und segnet dann die Bewohner von Hsinchu.  Und der ist zufällig heute. Aber auch alle anderen Stadtgötter von Taiwan wollen dem Stadtgott von Hsinchu ihre Ehre erweisen deswegen sind sie mit Entourage angereist. Deswegen wurde auch unser Bus angehalten – alle Gruppen der diversen Stadtgötter ziehen nämlich durch Hsinchu zu jedem Tempel, zollen ihren Respekt und gehen dann zum großen Stadttempel. Und das ist tatsächlich eine Parade, die sicher 7 Stunden dauern kann. Wir gehen zum Stadttempel, wo die Gruppen mit Akrobaten, Tänzern und Musikergruppen aufwarten. Am Weg dahin kriegen wir auch immer wieder süße Fladen geschenkt – eine Tradition, dass man Essen verschenkt, besonders an die verwaisten Geister, weil niemand für sie betet. 

Aber nachdem wir ziemlich vielen Gruppen schon zugeschaut haben, beschließen wir doch noch an den Strand zu fahren – die Lautstärkebelastung war doch sehr hoch. 

Am Strand angekommen, sehen wir noch die letzten paar Leute Drachen steigen lassen und von ein bisschen landeinwärts weht uns Musik von einem Akustikfestival entgegen. Sehr friedlich wenn man bedenkt dass auf der anderen Seite des Meeres China liegt und der Hafen im Notfall zur Verteidigung Taiwans verwendet wird. Wir kommen ein bisschen vor dem Sonnenuntergang an und da grad Ebbe ist, spazieren wir den Strand bis zu einer Mole. Ganz fertig können wir den Sonnenuntergang nicht genießen, weil uns ein Fischer warnt, dass die Flut kommt und wir sonst nicht mehr zurückkommen. Aber wir wollen eh auch nach Hause und nach einem Tee (gekühlt, abends hat’s noch immer 32 Grad) warten wir wieder viel zu lang auf den Bus (er ist ausgefallen).

  • Ebbe

Wir wollten aber auch den Empfehlungen folgen und sind deswegen nach Taipei gefahren. Unser erster Stopp ist ein bekannter Tempel, Mengjia Longshan, für buddhistische und taoistische Gottheiten. Im Vergleich zu europäischen Kirchen sind Tempel hier eher klein, meistens sehr schön dekoriert und auch mit kleinen Teichen im Vorhof. Naja bei so vielen Erdbeben (wir haben ein ordentliches schon gespürt), hat man früher auch nicht so hoch gebaut. 

Taiwan ist ja offiziell die Republik von China (kann manchmal auch zur Verwirrung führen, wenn Taiwanesen sagen dass etwas in China produziert ist, da sie eh Taiwan meinen). Die Kurzfassung der Geschichte ist dass die Kuomintang (KMT) nach dem Thronverzicht des letzten chinesischen Kaisers (die KMT hat das schon beschleunigt) die erste Republik Chinas 1912 ausgerufen haben. Das war aber nicht ganz so leicht und erst 1927 haben sie dann die Herrschaft über das Festland erreicht. Das hat aber auch nicht lang gehalten und 1949 haben sie im Bürgerkrieg gegen die Chinese Communist Party (CCP) verloren und haben sich auf Taiwan zurückgezogen. Deswegen ist zum Beispiel in Taiwan auch das Jahr 114, oft wird in Jahren seit der Republiksgründung gezählt. Generell hat früher ROC auch zu den Gründungsmitgliedern der UN gehört, allerdings wurde durch die Ein-China-Politik Taiwan aus der UN verdrängt und durch Festland China ersetzt. Das ist soweit dass gegangen dass niemand fast Taiwan als Land anerkennt und „Made in Taiwan“ von China verboten worden ist. Das war aber doch nicht ein langer Exkurs (Rene kürzt das dann), eigentlich wollten wir über unseren Ausflug zum Chiang Kai Shek Memorial erzählen. Er war nämlich der Führer der KMT und hat die ROC nach Taiwan gebracht. So ganz einfach darf man aber nicht gut und böse zwischen KMT und CCP verteilen. Taiwan war nämlich bis in die früheren 1990er Jahre auch noch ein Ein-Parteien-System unter Kriegsrecht und die Zeit wurde als Weißer Terror bezeichnet, da viele für anti KMT oder pro Kommunismus verhaftet wurden, egal ob echt oder nicht. Aber mittlerweile sehr demokratisch und es gibt nicht nur KMT Präsidenten. Das Memorial steht trotzdem noch auch wenn die Flaggenzeremonie nicht mehr vor der überlebensgroßen Statute von Chiang Kai Shek stattfinden darf. 

Taiwan hatte auch einen riesigen Wirtschaftsaufschwung und das kann man auch am Taipei 101 sehen. Von 2004 bis 2009  galt er mit seinen 508 Metern als das höchste Gebäude der Welt. Das wollen auch wir uns anschauen. Rauf schaffen wir es nicht mehr aber in der Nähe gibt es einen netten Hügel von dem wir uns den schönen Sonnenuntergang über Taipei anschauen.