Ab in den Süden

Wir haben ein Problem. Zwar haben wir nach gut 4 Monaten Asien sicher keinen Vitamin-D-Mangel, doch eine wirkliche Strandstimmung ist bis jetzt nicht aufgekommen. Das bedarf dringender Änderung, also: Ab in den Süden. In Taiwan gibt es dafür zwei Optionen: Kenting oder Kaohsiung. Fürs Erste haben wir uns für Kaohsiung, die südlichste Großstadt von Taiwan entschieden, da sie mit dem High Speed Rail nur eineinhalb Stunden entfernt ist und gleich die Insel Xiao Liuqiu in der Nähe der Stadt liegt. Aber bevor es zur Fähre geht, schnappen wir uns You-Bikes und radeln erst einmal um den mitten in der Stadt gelegenen See. Dabei gibt es einige in den See gebaute Tempel zu bestaunen. Neben den, wie immer künstlerischen, Tempeln kann man auch Fische füttern oder – einmal was Neues – als Futter für die übergroßen Drachen und Tiger an den Eingängen der Tempel dienen. Falls das ein bisschen unklar war: Die Tempel haben große Tierfiguren mit offenen Mäulern, durch die man Freizeitpark-ähnlich durch spazieren kann und naturgetreu am anderen Ende wieder herauskommt.

Danach brechen wir zum eigentlichen Highlight der Reise auf: Xiao Liuqiu. Mit einer Fähre fahren wir zur Insel und sind zunächst noch traurig, dass wir nicht draußen oder an Deck sein dürfen. Aber nachdem die Fähre auf gefühlt Mach3 (real ca. 50km/h) beschleunigt, und die Wellen nur so an den Scheiben hoch spritzen, gestehen wir uns, dass es wohl besser so ist. Auf der Insel angekommen, begeben wir uns auf der szenischen Route Richtung Sonnenuntergang. Und nach kuriosen alten Militärbunkern und einem eigenartigen Hafen, in dem interessanterweise die Hölle los ist, finden wir auch den perfekten Sandstrand-Spot für den Abend.

Für den nächsten Tag planen wir zunächst einmal den Sonnenaufgang auf der anderen Seite der Insel anzusehen. Die Sonne geht dann irgendwann auch auf, aber außer dass es heller wird, sehen wir davon nichts – eher ein Schuss ins Klo. Wir sind aber dennoch guter Dinge, denn das eigentliche Highlight des Trips steht noch an: Schnorcheln mit Schildkröten. Da hat unser Hotel uns auch ein Angebot gemacht, wo wir zu einem guten Spot gebracht werden und Ausrüstung bekommen. Um 9 Uhr stehen wir voller Vorfreude parat, doch wir werden wegen des schlechten Wetters auf 10 Uhr vertröstet. Nachdem wir um 10 Uhr nochmals vorbeischauen, heißt es „Abgesagt“. So ein Käse. Ein bisschen demotiviert beschließen wir zunächst einmal die Beauty-Cave anzusehen: Dabei handelt es sich um nette Passagen durch die rein aus Korallen bestehende Insel. Da wir die Schildkröten noch nicht ganz aufgegeben haben, suchen wir uns im Anschluss einen schönen Strand und spazieren einfach einmal dorthin. Eva hat glücklicherweise plädiert die Sportschwimmbrillen mitzunehmen, wozu Rene nur nach theatralischem Augenrollen bereit war: Jetzt wissen wir sie aber sehr zu schätzen, den schon kurz nachdem wir uns über den flachen Korallenstrand bis an das Riff vorgearbeitet haben, wimmelt es nur so von Meeresschildkröten. In verschiedensten Größen (30cm bis 1m) schwimmen sie durch die Gegend, um die Korallen abzuknabbern. Dabei werden sie von den Wellen jeweils immer halben Meter verschoben, aber das stresst die Tiere wenig und sie schnappen einfach zu, wenn gerade Nahrung in Reichweite ist. Ein tolles Erlebnis, so mit mehreren Schildkröten durch die Gegend zu treiben und die Tiere in aller Seelenruhe beobachten zu können.

  • Leider kein Foto von den echten - deswegen unsere Hoteldeko

Irgendwann müssen wir unseren geliebten Schildkröten-Strand dann doch verlassen, denn wir wollen noch zum Fo-Guang-Shan-Buddha-Museum, Taiwans größtem buddhistischem Kloster. Das modern angelegte Monument soll einen Zahn Buddhas beherbergen. Dabei fehlen von außen zwar ein bisschen die Details, aber allein die schiere Größe und einwandfreie Umsetzung zeichnen ein schönes Bild. Auch die größte sitzende Buddhastatue Taiwans kann man hier finden. In der Hauptallee, gesäumt mit Pagodas, gibt es gerade eine Buchausstellung und am Hauptplatz eine vegetarische Messe. Schlussendlich dringen wir dann auch ins Hauptgebäude vor und schauen uns in einem Museum die Geschichte Buddhas vom Prinzen Siddhartha Gautama zum buddhistischen Lehrer bis zu seinem Ableben wo er Pari Nirvana erreicht. Auch das Besichtigen der Altäre (man nennt des im Buddhismus auch so) war sehr eindrucksvoll: Der Gold-Buddha-Schrein und der Jade Buddha Schrein sind beide außergewöhnlich schön verziert und jede Stelle der Räume war übersät von Bildhauerei oder kunstvollen Holzschnitzereien. (Leider war das Fotografieren dort nicht erwünscht). Auch den angeblichen Zahn von Buddha haben wir gesehen – aber da circa 32 Museen behaupten einen oder mehrere Zähne des Buddhas zu besitzen, muss Buddha entweder ein Hai gewesen sein oder nicht jeder Zahn ist authentisch.

Am Ende gings dann wieder nach einer kurzen Nachtmarktrunde und unserem All-time-favorite Scallion Pancake (ein vielschichtiges knuspriges Fladenbrot mit Jungzwiebeln im Teig) wieder nach Hause.

Sidequests

Nach langer Blogfunkstille gibt es wieder mal Neues von uns – wir haben nämlich midterm bedingt nicht so viel Zeit zu Schreiben gehabt. Aber zumindest ein paar kleine Sidequests sind sich dann doch ausgegangen. 

Rene hat Eva zum Geburtstag einen Kochkurs geschenkt und die gibt’s nur in Taipei. Also sind wir mit HSR (Hochgeschwindigkeitszug) einmal nach Taipei gedüst. Am Menü stand Gurkensalat, Xiao Long Bao, irgendeine Beefsuppe (der aufmerksame Leser bemerkt dass wohl dieser Absatz von der Vegetarierin geschrieben worden ist) und Boba Tee. Was ist das alles überhaupt? Der Gurkensalat ist einfach zu erklären – Gurke mit süß sauren Dressing mit Knoblauch und Chili. Der einzige Unterschied? Wir durften die Gurken zerquetschen anstatt sie zu schneiden. Xiao Long Bao sind kleine gedämpfte Knödel mit einer Schweinefleisch-Suppenfüllung (für Eva mit Gemüse). Damit die Suppe beim Knödelformen auch nicht ausrinnt und wirklich dann als Suppe im Knödel ist, wird sie gelatiniert in kleinen Würfeln beigemengt. Nach gefühlt einer Stunde Feinstarbeit sind unsere fünf Xiao Long Bao auch fertig – zu Köchen werden wir in dem Tempo aber wohl eher nicht. Die Rindfleischsuppe war gar nicht so neu – nur deutlich stärker gewürzt als  man sie kennt. Und warum haben wir dann eigentlich genau gelernt wie man Tee macht? Der Großteil von Boba Tee ist Schwarztee und Milch aber was es zu Boba macht sind die gekochten Tapiokaperlen. Die vermengt man dann noch mit einem Zuckersirup und schon hat man das klassische Taiwanesische Getränk. Da wir aber mittlerweile schon öfters probiert haben, unseren eigenen Boba zu machen, können wir nur sagen : So leicht ist es leider nicht die Perlen perfekt zu kochen. 

  • Gurkenende auf der Stirn ist gesund

Unser nächster kleiner Ausflug hat uns wieder einmal an den Strand gebracht – aber nicht zum Schwimmen. Bei uns am Strand findet ein Drachenfestival statt, besser gesagt Lenkdrachen. Verschiedenste Teams aus aller Welt waren da um ihre riesigen Drachen zu präsentieren. Von der USS. Enterprise bis zu riesigen Rochen gab es alles als Riesendrachen. Auch am Programm standen Stuntdrachenshows – also synchron Flugshows mit mehreren Drachen. Und am Abend gab’s dann auch noch eine Show mit leuchtenden Drachen. Leider aber mit zu wenig Wind, aber das hat sie nicht gestoppt. Manche Teams haben ihre Drachen mit E Rollern über die Wiese gezogen, manche sind gelaufen. 

Für den Nationalfeiertag hat es uns ein weiteres mal nach Taipei gezogen. Den haben sie gebührend mit einer 15 minütigen Raketen und Drohnenshow am Taipei 101 gefeiert. Aus allen Ebenen wurde gefeuert. Wir hatten einen ziemlich guten Spot, da sind wir uns sicher, weil alle Profis mit Stativ da waren. 

Die nächste Sidequest hat nur Eva angelockt und zwar zu einer Teeplantage. Das Austauschbüro hat den Trip organisiert und schon ist eine heitere Runde Austauschstudenten am Weg. Dort lernen wir wie und wann Tee gepflückt wird und dürfen das auch gleich selbst anwenden: Wir pflücken unseren eigenen Tee, natürlich mit der passenden Ausrüstung. Danach geht es weiter zur Verarbeitung, wo wir unsere eigenen Teeblätter einmal gut anheizen um die Feuchtigkeit zu verlieren. Dann werden die Teeblätter geknetet bis die Fasern brechen. Als Nächstes geht’s zum Trocknen und während alles trocknet kriegen wir ein Mittagessen (natürlich mit Tee) und einen Vortrag über nachhaltigen Teeanbau. Und pünktlich zum Heimfahren ist auch unser Grüntee fertig und wir können was mit nach Hause nehmen. Ebenfalls erwähnenswert war auch ein weiterer Abend, dieses Mal sogar ganz in der Nähe von unserer Wohnung. Und zwar in einem indischen Restaurant. Es ist Diwali und zwei indische Freundinnen haben uns zu einem Festessen eingeladen. Laut ihnen mit sehr authentischem Essen (es ist nicht das gleiche Basiscurry für alles verwendet worden) feiern wir das Lichterfest. 

Von Geistern und Diktatoren

Wenn man jemanden in Hsinchu fragt, was man so machen kann, kommt meistens: den Bus nach Taipei nehmen. Wir wollen das aber nicht glauben und beschließen zum Strand zu fahren. Was aber auch allgemein bekannt in Hsinchu ist, dass die Busse selten und unzuverlässig fahren. Deswegen bleiben wir etwas unfreiwillig noch im Stadtzentrum von Hsinchu stecken. Genauer gesagt ein wenig davor weil der Busfahrer alle irgendwo rausschmeisst. Eine Erklärung gibt’s nur auf Chinesisch. Also beschließen wir einfach zu Fuß zu unserer Umsteigestation zu spazieren, genug Zeit haben wir ja. Uns kommen allerdings ziemlich bald viele Menschen in den komplett gleichen Shirts und gleichen Handtüchern um den Hals entgegen. Nach einem kurzen Gespräch mit ein paar von ihnen stellt sich raus, dass es kein Saunafestival ist sondern ein Tempelkulturfestival ist. Nach ein bisschen googeln finden wir auch heraus, dass das einer der größten Tempelfestivals in Taiwan ist, nämlich für den Stadtgott von Hsinchu. Es ist momentan laut Mondkalender Geistmonat und der Stadtgott von Hsinchu kümmert sich am 15. des 7. Monats (Mondkalender) um die verwaisten Geister und segnet dann die Bewohner von Hsinchu.  Und der ist zufällig heute. Aber auch alle anderen Stadtgötter von Taiwan wollen dem Stadtgott von Hsinchu ihre Ehre erweisen deswegen sind sie mit Entourage angereist. Deswegen wurde auch unser Bus angehalten – alle Gruppen der diversen Stadtgötter ziehen nämlich durch Hsinchu zu jedem Tempel, zollen ihren Respekt und gehen dann zum großen Stadttempel. Und das ist tatsächlich eine Parade, die sicher 7 Stunden dauern kann. Wir gehen zum Stadttempel, wo die Gruppen mit Akrobaten, Tänzern und Musikergruppen aufwarten. Am Weg dahin kriegen wir auch immer wieder süße Fladen geschenkt – eine Tradition, dass man Essen verschenkt, besonders an die verwaisten Geister, weil niemand für sie betet. 

Aber nachdem wir ziemlich vielen Gruppen schon zugeschaut haben, beschließen wir doch noch an den Strand zu fahren – die Lautstärkebelastung war doch sehr hoch. 

Am Strand angekommen, sehen wir noch die letzten paar Leute Drachen steigen lassen und von ein bisschen landeinwärts weht uns Musik von einem Akustikfestival entgegen. Sehr friedlich wenn man bedenkt dass auf der anderen Seite des Meeres China liegt und der Hafen im Notfall zur Verteidigung Taiwans verwendet wird. Wir kommen ein bisschen vor dem Sonnenuntergang an und da grad Ebbe ist, spazieren wir den Strand bis zu einer Mole. Ganz fertig können wir den Sonnenuntergang nicht genießen, weil uns ein Fischer warnt, dass die Flut kommt und wir sonst nicht mehr zurückkommen. Aber wir wollen eh auch nach Hause und nach einem Tee (gekühlt, abends hat’s noch immer 32 Grad) warten wir wieder viel zu lang auf den Bus (er ist ausgefallen).

  • Ebbe

Wir wollten aber auch den Empfehlungen folgen und sind deswegen nach Taipei gefahren. Unser erster Stopp ist ein bekannter Tempel, Mengjia Longshan, für buddhistische und taoistische Gottheiten. Im Vergleich zu europäischen Kirchen sind Tempel hier eher klein, meistens sehr schön dekoriert und auch mit kleinen Teichen im Vorhof. Naja bei so vielen Erdbeben (wir haben ein ordentliches schon gespürt), hat man früher auch nicht so hoch gebaut. 

Taiwan ist ja offiziell die Republik von China (kann manchmal auch zur Verwirrung führen, wenn Taiwanesen sagen dass etwas in China produziert ist, da sie eh Taiwan meinen). Die Kurzfassung der Geschichte ist dass die Kuomintang (KMT) nach dem Thronverzicht des letzten chinesischen Kaisers (die KMT hat das schon beschleunigt) die erste Republik Chinas 1912 ausgerufen haben. Das war aber nicht ganz so leicht und erst 1927 haben sie dann die Herrschaft über das Festland erreicht. Das hat aber auch nicht lang gehalten und 1949 haben sie im Bürgerkrieg gegen die Chinese Communist Party (CCP) verloren und haben sich auf Taiwan zurückgezogen. Deswegen ist zum Beispiel in Taiwan auch das Jahr 114, oft wird in Jahren seit der Republiksgründung gezählt. Generell hat früher ROC auch zu den Gründungsmitgliedern der UN gehört, allerdings wurde durch die Ein-China-Politik Taiwan aus der UN verdrängt und durch Festland China ersetzt. Das ist soweit dass gegangen dass niemand fast Taiwan als Land anerkennt und „Made in Taiwan“ von China verboten worden ist. Das war aber doch nicht ein langer Exkurs (Rene kürzt das dann), eigentlich wollten wir über unseren Ausflug zum Chiang Kai Shek Memorial erzählen. Er war nämlich der Führer der KMT und hat die ROC nach Taiwan gebracht. So ganz einfach darf man aber nicht gut und böse zwischen KMT und CCP verteilen. Taiwan war nämlich bis in die früheren 1990er Jahre auch noch ein Ein-Parteien-System unter Kriegsrecht und die Zeit wurde als Weißer Terror bezeichnet, da viele für anti KMT oder pro Kommunismus verhaftet wurden, egal ob echt oder nicht. Aber mittlerweile sehr demokratisch und es gibt nicht nur KMT Präsidenten. Das Memorial steht trotzdem noch auch wenn die Flaggenzeremonie nicht mehr vor der überlebensgroßen Statute von Chiang Kai Shek stattfinden darf. 

Taiwan hatte auch einen riesigen Wirtschaftsaufschwung und das kann man auch am Taipei 101 sehen. Von 2004 bis 2009  galt er mit seinen 508 Metern als das höchste Gebäude der Welt. Das wollen auch wir uns anschauen. Rauf schaffen wir es nicht mehr aber in der Nähe gibt es einen netten Hügel von dem wir uns den schönen Sonnenuntergang über Taipei anschauen.